Der Mittelstand tut sich noch immer schwer mit ITIL. Der Sinn und Zweck, der Nutzen, erschließt sich den meisten nicht. Sie sagen u.a.: die 10, 20 oder 30 Leute, die bei mir in der IT arbeiten, haben den Überblick und alles im Griff. Warum soll ich eine Reihe von Prozessen und Rollen einführen? So viele Leute habe ich gar nicht und eine Umstrukturierung brauche ich schon gar nicht.
Diese Haltung hat 2 Ursachen:
1. ITIL wird falsch verstanden
ITIL ist kein Standard und stellt keine Regeln auf. ITIL ist ein Rahmenwerk, das ein Ideal beschreibt; was sich in der Praxis bewährt hat, damit die IT besser läuft. Den Machern von ITIL ist auch klar, dass sich die kompletten Empfehlungen nicht eins zu eins auf jedes Unternehmen übertragen lassen. Jedes Unternehmen hat eine eigene Organisation, eigene abgestimmte Prozesse, eigene Infrastruktur usw. Darum muss sich ITIL und der Status Quo des Unternehmens aufeinander zu bewegen. Immer unter der Prämisse: was nützt dem Unternehmen, was bringt es voran?
2. Unternehmen stellen sich die falschen Fragen
Unternehmen dürfen nicht fragen: „Warum soll ich ITIL einführen?“, sondern, „Wie kann ich meine IT besser machen?“.
Stellt man sich solche Fragen, bietet ITIL eine Fülle von Ansatzpunkten. Solche Fragen beschäftigen jedes Unternehmen, egal wie groß oder klein es ist.
Ändert man seine Sichtweise zu den o.a. Punkten, stellt sich auch für den Mittelstand nicht mehr die Frage ob sondern nur noch die Frage wie ITIL eingesetzt wird. „Der Mittelstand braucht ITIL, aber die Methoden müssen richtig angewendet werden.“ (Schmitt) „Eine ganz besondere Stärke dieses Rahmenwerks ist die Anpassungsfähigkeit, um die Gegebenheiten und Ziele einer Organisation zu berücksichtigen.“ (Stilp)
ITIL-Einführungen scheitern allzu oft an der Einführungsmethode. Vorschläge aus der ITIL Literatur werden unbesehen übernommen, ohne sie an die Gegebenheiten anzupassen (bestehende Organisationsstrukturen, technische Rahmenbedingungen, Verträge…). Das ist aber kein ITIL-Problem, sondern das sind Projektmanagementprobleme (vgl. Schmitt): Ziele und Nutzen sind nicht klar definiert, weil die fachliche Kompetenz fehlt. Der Projektzuschnitt orientiert sich nicht an den äußeren Rahmenbedingungen, man will zu viel auf einmal.
Die Vorteile einer strukturierten, ITIL-konformen Vorgehensweise und die Wichtigkeit funktionierender Prozesse müssen für jeden einzelnen Mitarbeiter erkennbar sein (vgl. Frerking) und dürfen nicht als zusätzliche Belastung aufgenommen werden. ITIL muss die „Faulheit“ der Mitarbeiter unterstützen.
ITIL ist auf gar keinen Fall für den Mittelstand ungeeignet oder braucht etwa Alternativen (vgl. Gross). ITIL muss nur auf den Mittelstand besser angepasst werden. Es ist schwierig genug, aus einer Fülle guter Ideen, sich genau die wesentlichen herauszusuchen, die das Unternehmen voran bringen (vgl. Schmitt). Das ist aber keine „Schwäche“ von ITIL (vgl. Gross). Das ist vielmehr die Stärke von ITIL: Anpassbar und das Beste für jedes Unternehmen. Allerdings ist eine Menge „Gehirn“ und Pragmatismus gefragt. Dann läuft ITIL auch im Mittelstand.
Autor: Dr. Guido Hoffmann
Literatur:
Michael Frerking, Netzlink Informationstechnik GmbH, Anwenderbericht: ITIL im Mittelstand, 20.06.2012
Hartmut Stilp, Geschäftsführer Maxpert GmbH, ITIL ist bestens für den Mittelstand geeignet, SaasMagazin, 16.07.12
Thomas Schmitt, Legt ITIL dem Mittelstand wirklich Fesseln an?, Computerwoche, 17.07.12
Markus Gross, ITIL im Mittelstand, www.markusgross.de
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